History

Afghanische Geschichte – Zeitstrahl

Afghanische Geschichte

Ein Zeitstrahl durch die jüngere Geschichte Afghanistans – mit besonderem Fokus auf den Rechten und Freiheiten von Frauen und Mädchen.

Taliban-Herrschaft (seit 2021)
2024

Gesetz „zur Förderung der Tugend“

♀ Frauenrechte Massive Einschränkung
Klicken für Details

Im August 2024 verabschiedeten die Taliban ein neues „Tugendgesetz“ mit 35 Artikeln. Frauen ist es nun verboten, in der Öffentlichkeit zu sprechen, zu singen oder Gedichte zu rezitieren. Das Gesicht muss vollständig verschleiert sein.

Musik ist komplett verboten, ebenso die Darstellung von Lebewesen in Bildern. Die „Tugendpolizei“ setzt diese Regeln mit Gewalt durch.

2023

Verbot für Frauen bei NGOs und UN

♀ Frauenrechte Massive Einschränkung
Klicken für Details

Im Dezember 2022 verboten die Taliban Frauen die Arbeit bei nationalen und internationalen NGOs. Im April 2023 wurde dies auf UN-Organisationen ausgeweitet.

Dies hat katastrophale Auswirkungen auf die humanitäre Hilfe, da viele Programme ohne weibliche Mitarbeiterinnen nicht fortgeführt werden können.

2022

Universitätsverbot für Frauen

♀ Frauenrechte Massive Einschränkung
Klicken für Details

Im Dezember 2022 ordneten die Taliban an, dass Frauen nicht mehr an Universitäten studieren dürfen. Tausende Studentinnen wurden mitten im Semester ausgeschlossen.

Afghanistan wurde damit zum einzigen Land der Welt, das Frauen den Zugang zu höherer Bildung verweigert.

2021

Taliban übernehmen die Macht – 20 Jahre Fortschritt bedroht

♀ Frauenrechte Massive Einschränkung
Klicken für Details

Am 15. August 2021 übernehmen die Taliban erneut die vollständige Kontrolle über Afghanistan. Nach 20 Jahren Islamischer Republik sind zwei Jahrzehnte hart erkämpfter Frauenrechtsfortschritte unmittelbar bedroht.

Ministerielle Umstrukturierung: Das Ministerium für Frauenangelegenheiten wird kurz nach der Machtübernahme aufgelöst und durch das berüchtigte „Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters“ ersetzt – dasselbe Ministerium, das 1996-2001 für öffentliche Auspeitschungen und Steinigungen von Frauen zuständig war.

Verlust von Regierungspositionen: Während vor der Machtübernahme 27 Prozent der 249 Parlamentsabgeordneten Frauen waren, gibt es in der neuen Taliban-Regierung keine einzige Ministerin. 21 Prozent der Strafverteidiger waren weiblich – im neuen System ist Frauen die Teilnahme am Rechtssystem ganz verboten. Von den 1.951 Richtern waren 265 Frauen – diese sind nun alle ohne Amt.

Bildungsverbot: Im März 2022 kündigten die Taliban an, Mädchen den Besuch von Schulen der Sekundarstufe I und II zu erlauben. Noch im selben Monat änderten sie ihre Bildungspolitik und schlossen alle Mädchenschulen für Kinder ab 13 Jahren. Unterricht für Mädchen findet seitdem nur noch im Geheimen durch Ehrenamtliche statt.

Arbeitsverbot und Bewegungsfreiheit: Frauen wird das Arbeiten in den meisten Sektoren verboten. Sie dürfen in der Öffentlichkeit nur mit männlicher Begleitung (ein sogenannter Mahram) unterwegs sein und müssen sich vollständig verschleiern. Selbst Nachrichtensprecher:innen im Fernsehen müssen ihr Gesicht während der Ausstrahlung vollständig verhüllen.

Gesundheitswesen in Gefahr: Afghanistan hat eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten der Welt. Nach UN-Schätzungen stirbt alle zwei Stunden eine afghanische Frau während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Viele Frauenrechtsorganisationen, die Gewaltopfer unterstützten, wurden geschlossen.

Verfassungsaußerkraftsetzung: Mit der Außerkraftsetzung der progressiven Verfassung von 2004, die Frauen rechtliche Gleichstellung garantierte, wurde das Rechtssystem praktisch zerstört. Die Taliban berufen sich stattdessen auf eine strikte Interpretation der Scharia.

Die Angst vor einer Wiederkehr der Gräueltaten von 1996-2001 ist groß. Frauenrechtsaktivistinnen berichten von Entführungen, Kinderehen, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen.

Islamische Republik (2004–2021)
2004

Neue Verfassung garantiert Gleichberechtigung

♀ Frauenrechte Fortschritt
Klicken für Details

Die am 26. Januar 2004 in Kraft tretende Verfassung Afghanistans garantiert volle rechtliche Gleichberechtigung: „Die Bürger Afghanistans – Männer und Frauen – haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten“ (Artikel 22).

Bildungsrecht: Die Verfassung schreibt die Förderung von Bildung für Frauen vor (Artikel 44). Ab 2001 ist Grundschulbildung für Mädchen und Jungen obligatorisch. Frauen können wieder studieren und akademische Grade erreichen.

Politische Partizipation: Die Verfassung legt eine Frauenquote von mindestens 25 Prozent im Parlament und 17 Prozent im Oberhaus fest. Frauen können sich in alle Berufsbereiche begeben – von Richterinnen über Ärztinnen bis zu Unternehmerinnen. Zwischen 2001 und 2021 sind insgesamt 270 Frauen Richterinnen.

Schutz vor Gewalt: Ein Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wird verabschiedet. Es schafft eine Grundlage, um spezifische Gewalt gegen Frauen zu ahnden. Vorher konnten Vergewaltigungen nur als Zina (nach Scharia definierte sexuelle Kontakte außerhalb der Ehe) verurteilt werden.

Internationale Verpflichtungen: Afghanistan ratifiziert 2003 die UN-Konvention zur Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung gegen Frauen (CEDAW) ohne Vorbehalt.

Realität vs. Papier: Obwohl die Verfassung progressive Frauenrechte garantiert, bleibt die Umsetzung unvollständig. Viele verfassungsrechtlich garantierte Rechte bleiben für die meisten Frauen nur auf dem Papier bestehen. Die Verfassung selbst enthält die Bestimmung, dass kein Gesetz „im Widerspruch zu den Grundlagen des Islam“ stehen darf, was unterschiedliche rechtliche Interpretationen ermöglicht.

2001

Fall des Taliban-Regimes – Neubeginn für Frauenrechte

♀ Frauenrechte Fortschritt
Klicken für Details

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 intervenieren die USA in Afghanistan. Im November 2001 fällt Kabul und damit das Taliban-Regime. Für Frauen bedeutet dies das abrupte Ende von fünf Jahren brutalster Unterdrückung.

Unmittelbare Veränderungen: Schulen öffnen wieder für Mädchen. Die Burka-Pflicht wird aufgehoben – in Kabul beginnen Frauen, westliche Kleidung zu tragen. Frauen dürfen wieder arbeiten und sich ohne männliche Begleitung in der Öffentlichkeit bewegen.

Reformprozess: Am 5. Dezember 2001 wird das Petersberg-Abkommen (Bonn Agreement) unterzeichnet, das den Grundstein für die politische und rechtliche Neuordnung Afghanistans legt. Am 22. Dezember 2001 wird Hamid Karzai als Interimspräsident eingesetzt.

Institutionelle Neuerungen: Mit der Neuordnung des politischen Systems 2001 wird ein Ministerium für Frauenangelegenheiten eingeführt – ein deutliches Signal für die neue Priorität von Frauenrechten. Obwohl der Einfluss des Ministeriums immer begrenzt bleibt, stehen Frauenrechte damit wieder auf der internationalen Agenda.

Internationales Engagement: Die internationale Gemeinschaft verpflichtet sich, Frauenrechte beim Wiederaufbau Afghanistans zu gewährleisten. Dies ist ein markanter Unterschied zur Unterstützung der Mudschaheddin-Fraktionen in den 1980er Jahren.

Erste Taliban-Herrschaft (1996–2001)
1996

Taliban erobern Kabul – Abruptes Ende der Frauenrechte

♀ Frauenrechte Extreme Unterdrückung
Klicken für Details

Am 27. September 1996 nehmen die Taliban Kabul ein. Damit endet abrupt die kosmopolitische Ära von Kabul mit seinen Kinos, Restaurants und unverhüllten Frauen in westlicher Kleidung. Ein radikales Experiment beginnt.

Umfassendes Arbeitsverbot: Frauen wird komplett verboten, zu arbeiten. Tausende gebildete Frauen verlieren ihre Livelihoods. Weibliche Grundschullehrer – damals fast alle Lehrkräfte an Grundschulen – werden entlassen. Fast alle Grundschulen, an denen Mädchen unterrichtet wurden, werden geschlossen, da es keine männlichen Lehrer gibt.

Bildungsverbot: Mädchen wird das Lernen ab dem 8. Lebensjahr verboten. Der Taliban-Sprecher erklärt: „Dass die Taliban 30.000 arbeitslosen Frauen, die nun bequem zu Hause sitzen, eine monatliche Abfindung zahlen soll, ist ein Peitschenhieb in den Augen all jener, die die Taliban in Bezug auf Frauenrechte diffamieren wollen.“ Tausende gebildete Familien fliehen nach Pakistan.

Vollverschleierung – Burka-Pflicht: Frauen werden gezwungen, vollständig in Burkas zu erscheinen. Der Taliban-Sprecher rechtfertigt dies: „Das Gesicht der Frau ist eine Quelle der Korruption für die mit ihr nicht verwandten Männer.“ Im Oktober 1996 schneidet man einer Frau die Kuppe ihres Daumens ab, weil sie Nagellack trägt. Im Dezember 1996 werden 225 Frauen aus Kabul festgenommen und bestraft, weil sie die Kleidungsverordnung nach der Scharia missachten.

Totale Bewegungsbeschränkung: Frauen dürfen das Haus nur in absoluten Ausnahmefällen und nur in Begleitung eines männlichen Verwandten (Mahram) verlassen. Ohne Mann sind sie nicht rechtsfähig. Lautes Sprechen und Lachen in der Öffentlichkeit werden verboten.

Gewaltsame Durchsetzung: Das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und Verhinderung des Lasters (Amir-bil-Marouf) setzt diese Regeln durch. Frauen, die gegen die Verordnungen verstoßen, werden Opfer von Gewalt – öffentliche und private Auspeitschungen, willkürliche Verhaftungen, und schlimmer. Zivilisten leben in Angst vor den Strafen der Tugendpolizei.

Unterirdische Schulen: Zur Reaktion bilden sich geheime, unterirdische Schulen, in denen Mädchen und Frauen unterrichtet werden. Lehrkräfte und Schüler:innen riskieren bei Entdeckung die Todesstrafe.

Wirtschaftliche Verwüstung: Mit dem Verlust des Einkommens werden viele Familien an den Rand der sozialen Existenz versetzt. Die Zahl der Mütter, die mit ihren Kindern betteln müssen, steigt dramatisch. Der Taliban-Führer Mohammed Omar sichert entlassenen weiblichen Beamten und Lehrkräften eine monatliche Abfindung von etwa 4,50 Euro zu – und das nur für begrenzte Zeit.

Gesellschaftliche Isolation: Die unter Artikel 3 der Verfassung von 1992 definierten Frauenrechte werden vollständig außer Kraft gesetzt. Ein Dekret besagt, dass Frauen aus Gründen der Tugend und Moral von der Gesellschaft getrennt werden müssen – eine Institutionalisierung des Systems der Geschlechtertrennung („Purdah“).

Aktivistische Gegenwehr: Die Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans (RAWA) und ihre Mitglieder widmen sich trotz extremer Gefahr der Dokumentation dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Bürgerkrieg (1979–1996)
1992

Fall der kommunistischen Regierung

Übergang
Klicken für Details

Nach dem Rückzug der Sowjetunion kollabiert die kommunistische Regierung. Verschiedene Mudschaheddin-Fraktionen kämpfen um die Macht.

Die folgenden Jahre sind geprägt von brutalen Kämpfen, die Kabul zerstören.

1979

Sowjetische Invasion

Konflikt
Klicken für Details

Am 24. Dezember 1979 marschiert die Sowjetunion ein. Es beginnt ein brutaler Krieg, der über eine Million Afghanen das Leben kostet.

Paradoxerweise fördert die kommunistische Regierung Frauenrechte: Mädchen werden zur Schule geschickt, Frauen arbeiten als Richterinnen.

Königreich und Republik (1919–1978)
1964

Neue Verfassung – Frauenwahlrecht

♀ Frauenrechte Fortschritt
Klicken für Details

Die Verfassung von 1964 ist ein Meilenstein: Frauen erhalten das aktive und passive Wahlrecht.

1965 werden erstmals Frauen ins Parlament gewählt. Frauen arbeiten als Ärztinnen, Lehrerinnen und Richterinnen.

Quellen: Britannica
1959

Abschaffung der Verschleierungspflicht

♀ Frauenrechte Fortschritt
Klicken für Details

Premierminister Daoud Khan schafft die Verschleierungspflicht ab. Seine Frau und Schwester erscheinen öffentlich ohne Schleier.

In den folgenden Jahrzehnten tragen Frauen in Kabul westliche Mode – Miniröcke und kurze Haare werden normal.

1950er

Goldenes Zeitalter der Modernisierung

♀ Frauenrechte Fortschritt
Klicken für Details

Kabul wird zu einer kosmopolitischen Stadt mit Kinos, Restaurants und lebendiger Kulturszene.

Frauen studieren Medizin und Jura, arbeiten in Büros und gehen unverschleiert durch die Straßen.

1923

Erste Verfassung und Mädchenschule

♀ Frauenrechte Fortschritt
Klicken für Details

König Amanullah Khan verabschiedet Afghanistans erste Verfassung und gründet die erste Mädchenschule.

Königin Soraya erscheint öffentlich ohne Schleier und fördert Frauenbildung.

1919

Unabhängigkeit von Großbritannien

Meilenstein
Klicken für Details

Am 19. August 1919 erlangt Afghanistan die vollständige Unabhängigkeit von Großbritannien.

König Amanullah beginnt ein Modernisierungsprogramm nach türkischem Vorbild.

Quellen: Britannica
── Ende des Zeitstrahls ──